Grundsätze der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Europa

Wir Freie Demokraten wollen gleichberechtigte Chancen auf Arbeit und Wohlstand für die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union (EU). Dafür braucht es angebotsorientierte Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten im EU-Binnenmarkt. Gleichzeitig wollen wir aber keine Transferunion. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist und bleibt zu Recht Aufgabe der Mitgliedstaaten. Gerade Sozialpolitik muss so nah an den Menschen gemacht werden wie möglich. Eine europäische Arbeitslosenversicherung lehnen wir daher ab.
Nur in Fragen, die tatsächlich eine erhebliche grenzüberschreitende Bedeutung für den Binnenmarkt oder die Freizügigkeit haben, ist die EU politisch gefordert, Regelungen zu treffen. Dabei ist die verstärkte Zusammenarbeit zwischen einzelnen Mitgliedstaaten eine Alternative, die genutzt werden könnte. Wir Freie Demokraten begrüßen, dass bei der Schaffung der Europäischen Säule sozialer Rechte keine Ausweitung der Kompetenzen der EU vorgesehen ist.

Zitat aus dem Wahlprogramm der Freien Demokraten

Die Argumente der FDP Auslandsgruppe Europa:

Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik sind im Sinne des Subsidiaritätsprinzips aus gutem Grund Aufgabe der Mitgliedsstaaten. So herrschen in der EU höchst unterschiedliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Anforderungen und Voraussetzungen, für die es in diesen Politikfeldern keinen allgemeingültigen Ansatz geben kann. Entscheidungshoheit der Mitgliedsstaaten muss aber auch bedeuten, dass nationale Regierungen am Ende die Verantwortung für die Ergebnisse ihrer Politik tragen. Eine wie auch immer geartete Union, welche die Konsequenzen unverantwortlicher Entscheidungen in einzelnen Ländern auf alle Mitgliedstaaten abwälzt, lehnen wir Liberalen ab. Allerdings erfordert die erfolgreiche Durchsetzung der Grundfreiheiten der EU, beispielsweise der Personenfreizügigkeit oder der Dienstleistungsfreiheit, den Austausch zwischen den Mitgliedsstaaten in sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Fragen. Auch Herausforderungen wie die Digitalisierung und die Globalisierung werden den Bedarf an EU-weiter Koordination zwischen europäischen Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungssystemen eher erhöhen, ohne dass dabei die Gestaltungshoheit der Mitgliedsstaaten eingeschränkt werden darf. Eine solche gemeinsame Politik der Mitgliedsstaaten ist nur auf Basis gemeinsamer Werte und Ziele möglich. Die Europäische Säule Sozialer Rechte ist eine gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rats und der Europäischen Kommission vom 17. November 2017. Die Erklärung umfasst 20 grundlegende Prinzipien sozialer Rechte, welche sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene (je nach Kompetenz) berücksichtigt und umgesetzt werden sollen. Die Erklärung weitet die Befugnisse und Aufgaben der Europäischen Union selbst explizit nicht aus, ihre Umsetzung liegt entsprechend zu weiten Teilen in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission selbst beschreibt die Säule Sozialer Rechte als „Kompass“ für die Angleichung von Arbeits- und Lebensstandards in der EU nach oben. Die Europäische Säule sozialer Rechte ist in drei Kapitel gegliedert: der Bereich „Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang“ fordert etwa die Gleichbehandlung aller Europäer und ein Recht auf Aus- und Weiterbildung. Das Kapitel „Faire Arbeitsbedingungen“ fordert angemessene Löhne, Arbeitnehmerschutz und flexible Arbeitszeiten. Der Bereich „Sozialschutz und soziale Inklusion“ beinhaltet unter anderem das Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen, Gesundheitsversorgung, Rente, Pflege und Wohnraum. Die Europäische Säule sozialer Rechte soll eine Lücke schließen zwischen anderen europäischen Erklärungen wie etwa der Europäischen Sozialcharta, der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte für Arbeitnehmer oder der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die EU-Kommission nennt als Ziel, Prinzipien und Rechte der EU „für den Bürger und alle Beteiligten verständlicher und explizit zu machen“. An vielen Stellen geht die Europäische Säule sozialer Rechte auch über bestehende Beschlüsse hinaus. Politisch gesehen ist die Erklärung im Kontext über die Debatte über die Zukunft Europas vor dem Hintergrund des entsprechenden Weißbuchs der EU-Kommission zu sehen. EU-Kommissionspräsident Juncker hatte in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union im September 2015 die Säule sozialer Rechte angekündigt, woraufhin im Jahr 2016 eine Konsultation zu diesem Projekt stattfand. Im Rahmen der 60-Jahr-Feier der Römischen Verträge sprachen sich die Mitgliedsstaaten explizit für ein „soziales Europa“ aus. Am 17. November wurde die Europäische Säule sozialer Rechte von den Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rats und der EU-Kommission beim Sozialgipfel in Göteborg erklärt. Beim Ratstreffen am 14. Dezember 2017 erklärten die Staats- und Regierungschefs ihren Willen, die Erklärung unter Berücksichtigung der jeweiligen Kompetenzen umsetzen zu wollen.